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Ein mittelalterlicher Code

Bücher > Die Geheimschreiberin


Hier möchte ich schon ein wenig über das Plaudern, was die Protagonisten meines neuen Buches stark beschäftigt bzw. beschäftigt hat. Weitab von Verschlüsselungsmaschinen oder gar Computern mussten sich die Agenten des Hochmittelalters einfacher Methoden bedienen, um die geheimen Botschaften ihrer Herren wirkungsvoll zu verschlüsseln.


Zu der Zeit, als der europäische Adel auf Kreuzzügen ins Heilige Land nach Ruhm und Ehre strebte, benutzte man zur Verschlüsselung geheimer Nachrichten die monoalphabetische Substitution. Kurz gesagt: Ein bestimmter Buchstabe oder ein bestimmtes Symbol wurde durch ein anderes dargestellt. Aus "A" wurde ein "D" usw. Nur wer wusste, wie welches Zeichen verschlüsselt war, konnte das Buchstabengewirr einer abgefangenen Botschaft entschlüsseln.


Zum Chiffrieren und zum Dechiffrieren benutzte man Doppel-Tabellen, die links in fünf Zeilen und fünf Spalten das Alphabet in der bekannten Reihenfolge enthielten, und die rechts in entsprechender Anordnung ein Alphabet enthielten, dessen Buchstaben verwürfelt waren. Ein solcher Polybios, wie man diese Codierungstabellen nach ihrem Erfinder, einem griechischen Gelehrten, nannte, soll eine große Rolle spielen.



Hier der sogenannte Heinsberger Polybios, wie er für meine Protagonisten von enormer Bedeutung sein wird. Der Code war benannt nach Philipp von Heinsberg, verstorbener Erzbischof von Köln und Reichskanzler.

Aus dem Klartext: "Toete Otto" wurde das verschlüsselte "XGFXF GXXG".

Ein Polybios bot immer eine zweite Möglichkeit der Verschlüsselung. So war es möglich, jeden Buchstaben, den man verschlüsseln wollte, durch seine Position im verwürfelten Alphabet zu kennzeichnen.
Das "A" im Klartextalphabet wurde dargestellt durch eine 1 für die erste Zeile und eine weitere 1 für die erste Spalte. A = 11. Analog dazu bekommt das verschlüsselte "A" für den Platz in der 3. Zeile und in der 2. Spalte eine 32 zugeordnet.

Nachteil: Ob Zahlenschlange oder Buchstabensalat, Auffälligkeiten im Wortbild, siehe
toete Otto führten dazu, dass man sehr schnell einzelne Buchstabenkombinationen und infolge dessen auch bald das vollständige verschlüsselte Alphabet knacken konnte.

Eine kleine Ergänzung sollte für eine entscheidende Verbesserung sorgen.

Rechts wurde die Doppel-Tabelle ergänzt um eine weitere Spalte für eine zusätzliche Zeilennummerierung. Klingt seltsam, funktioniert aber ganz einfach. Wurde der Klartextbuchstabe "A" bis dahin verschlüsselt durchh ein "D" oder durch eine 32, so besteht nun die Möglichkeit, den gleichen Buchstaben auch noch durch eine 82 zu codieren.

Von der bis dahin betriebenen monoalphabetischen Substitution gelangte man so zur polyalphabetischen Substitution. Kurz gesagt: Ein Buchstabe, mehrere Möglichkeiten der Verschlüsselung - im gleichen Text! Trotzdem war sichergestellt, dass man vom verschlüsselten immer zum richtigen Klartextzeichen kam.

Die Klartextfolge "AAA" konnte dargestellt werden als "D 32 82" oder als "82 32 D" oder ... Auffälligkeiten im Wortbild konnten so verschleiert werden.
Darüber hinaus konnte der Buchstabe "A" auch durch einen dreistelligen Zahlencode dargestellt werden: Linke Zeilennummer, rechte Zeilennummer, Spaltennummer. A = 382 oder 832 für rechte Zeilennummer, linke Zeilennummer, Spaltennummer.

Wichtig für alle, die es auch einmal versuchen wollen. Sprechen Sie sich bitte ganz genau ab, wer wann von welchen der aufgezeigten Verschlüsselungsmöglichkeiten Gebrauch machen darf bzw. soll. Sonst haben Sie bei der Entschlüsselung einen Haufen unnötiger Arbeit!

Ein Risiko blieb allerdings. Die Agenten mussten stets eine Verschlüsselungstabelle mit sich führen. Fiel diese dem Gegner in die Hände, war der Spion enttarnt, zudem gelangte dabei der Code in den Besitz des Feindes.


Die Lösung lag auf der Hand: Man benötigte einen Polybios, der nicht aufgezeichnet werden musste.

Dazu erfand eine kluge Frau ein verwürfteltes Alphabet, das auf einem Codewort basierte. In die ersten Felder der Tabelle setzte man die Buchstaben des Schlüsselwortes und füllte die verbleibenden Felder mit den restlichen Buchstaben des Alphabets auf. Es musste nur darauf geachtet werden, dass sich im Codewort keine Buchstaben wiederholten. So war es ein Leichtes, neue Codes zu benutzen, ohne neue Tabellen verteilen zu müssen. Man änderte einfach das Schlüsselwort.

Die altbekannten Tricks vom erweiterten Heinsberger Polybios konnte man auch hier anwenden.

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