Bücher
Ratten in Heinsberg
Mordbrand
Zwei historische Krimis in einem Band:
Sendgraf Benedikt muss eine seltsame Mordserie aufklären. Wird das Land neben einer Ungezieferplage auch von Hexen heimgesucht? Oder muss man die Schuldigen woanders finden?
Im zweiten Fall geht es um die bange Frage, ob sein Freund Jonas die Kebse Helga getötet hat. Oder waren es Räuberbanden, welche die Gegend unsicher machen?
Geselle, Marlene
© 2008
Ratten in Heinsberg - Mordbrand
Books on Demand GmbH, Norderstedt
Taschenbuch, 172 Seiten; 11,90 Euro
ISBN: 978-3-8370-2422-7
GROSSDRUCK
Leseprobe
Das junge Mädchen hatte einen der Scherenstühle genommen, die an der Wand standen, und ihn vor dem einfachen Holztisch abgestellt. Thamar, so hatte sich Ephraims Tochter dem Besucher vorgestellt, schob einen Teller mit Nussgebäck vor Junker Benedikt.
"Greift zu, Sendgraf."
Ephraim hatte auf einem ähnlichen Stuhl an der gegenüber liegenden Seite des Tisches Platz genommen und spielte den Vorkoster.
"Frisch gebacken für den Sabbat. Aber sprecht, was kann ich für Euch tun?"
"Da muss ich weit ausholen."
Das Nussgebäck duftete herrlich, gerade so, als wäre schon wieder Herbst. Für einen Moment vergaß Junker Benedikt, warum er hier in der Apothekerstube saß. Aber von draußen her roch es nach Heu und Ratten. Diese seltsame Mischung holte ihn zurück in die Wirklichkeit.
Thamar war eine aufmerksame Beobachterin. Sie ging zum offenen Fenster, nahm den Topf mit der Grünpflanze, die dort gestanden hatte, schloss den Fensterladen und trug das Grünzeug hinaus. Verwundert registrierte der Sendgraf, dass es sich dabei um Petersilie handelte.
"Man hat mir gesagt, dass du in Roerkempen ein Stückchen Land bebaust. Stimmt das Ephraim?"
Der Angesprochene blieb gelassen. Als Jude durfte er im Reichsgebiet zwar kein Land als reguläres Lehen besitzen, aber mit Erlaubnis des jeweiligen Gutsherrn durchaus welches pachten.
"Gewiss Sendgraf. Frau Broichhuusen, Ihr werdet die Dame gewiss kennen, war so freundlich, mir ein Stückchen von ihrem eigenen Gartenland zu überlassen. Ich bin ja der Apotheker der jüdischen Gemeinde in Heinsberg. In meinem Alter hat man keine Lust mehr, stundenlang über die Wiesen und durch die Wälder zu streifen für eine Hand voll Kräuter, Gräser und Wurzeln."
Von Luchtenberg sprach ihn direkt auf den Diebstahl an. Wann genau? Was und wie viel von jedem? Wann und wem wurde der Diebstahl gemeldet? Wurde vorher oder auch später noch etwas gestohlen oder vermisst?
Ephraim wurde ärgerlich.
"Sendgraf, Ihr befragt mich, als wäre ein Sack Gold aus des Königs Schatzkammer verschwunden und unter meinem Bett gefunden worden. Ich schwöre Euch, weder ich noch einer der Meinen hat etwas Unrechtes getan. Wir sind einfache Leute und bemühen uns, ein Gott gefälliges Leben zu führen."
Der Sendgraf hatte sein Gegenüber die ganze Zeit über scharf beobachtet. Der jüdische Apotheker zeigte keine Spur von Verlegenheit oder schlechtem Gewissen. Mürrisch fuhr jener fort:
"Niemand von uns treibt sich nächtens auf den Feldern herum und murmelt irgendwelches Teufelszeug. Kein Mitglied der jüdischen Gemeinde von Heinsberg ist willens, geschweige denn in der Lage, Seuchen herbeizurufen, die das Vieh töten oder Menschen krank werden lassen."
Mit einer Geste, halb abwehrend halb beschwichtigend, stoppte Junker Benedikt den Redeschwall Ephraims.
"Ich verstehe deinen Ärger nur zu gut. Es gibt viele dumme Weiber in Heinsberg und anderswo. Die in den Hosen sind sogar noch schlimmer als die in den Röcken. Aber zurück zu meinen Fragen. Ich muss jede Einzelheit wissen."
Thamar war unbemerkt wieder ins Zimmer gekommen. Zur Besänftigung der Gemüter stellte sie eine Kanne Gewürzwein auf den Tisch und füllte für ihren Vater und dessen Besucher die Becher. Sie selbst trank nichts, sondern setzte sich auf einen Stuhl direkt neben die Türe, so als wäre sie eine einfache Dienerin. Ihre schlanke Figur, die helle Haut und das schwere, dunkle Haar entgingen Junker Benedikt nicht. "Ein kleiner Friedensengel bist du, Mädchen", murmelte er unhörbar.
Ephraim erzählte.
"Ich hatte mich zu Fuß von Heinsberg aufgemacht und war eine Stunde nach Sonnenaufgang in Roerkempen. Den Diebstahl habe ich natürlich sofort bemerkt. Ein ganzer Weidenkorb voll Kräuter war einfach ausgerupft und mitgenommen worden. Kreuz und quer aus dem Beet heraus. Mitten durch die Reihen ist der Dieb getrampelt. Hat dabei mehr kaputt gemacht als gestohlen. Ich bin sofort zum Gut gelaufen. Aber auf Gut Broichhuusen hat man mich nicht vorgelassen. Die Köchin schickte mich wieder fort, weil die Herrschaften nicht zu Hause waren. Sie meinte noch, ich solle am Abend nochmals vorbeischauen, wenn Herr Martin und die Frau von der Beerdigung zurück seien. Das habe ich dann auch getan. Frau Zilli hat mir noch den Rat mit der Belohnung gegeben. Hat leider nichts genutzt."
"Welche Beerdigung?"
"Die Beerdigung von Fräulein Charlotte."
Von Luchtenberg fragte nach den anderen Diebstählen. Aber dazu konnte Ephraim nicht viel sagen. Er wusste nur vom Hörensagen, dass an dem Tag, an dem seine Arzneikräuter verschwunden waren, man auch in anderen Gärten Gemüse und Salat gestohlen hatte.
Das fiel in den Bereich des Üblichen. Im späten Frühjahr, wenn die alte Ernte aufgebraucht war, es aber noch wenig Neues in den Gärten gab, kam es immer wieder zu kleinen Diebereien. Nur die wenigsten Täter wurden gefasst. Schließlich landeten die Möhren und Salatköpfe schneller in den hungrigen Mägen als jeder Gutsbesitzer im Stande war, die Häuser der Verdächtigen zu durchsuchen. Also ließ man es ganz bleiben.
"War etwas Besonderes bei dem Gestohlenen, Ephraim? Es wird in Roerkempen von einer außergewöhnlich hohen Belohnung geredet."
Der Apotheker bejahte. Mehrere Büschel Ringelblumen, eine große Staude Tausendgüldenkraut und etwas Gartenraute hatte der Dieb mitgehen lassen. Am meisten ärgerte ihn aber der Verlust der Hundspetersilie. Simon, sein Vetter aus Kleve, hatte ihm dieses, aus dem heiligen Land stammende, Kraut besorgt.
"Das Zeug vermehrt sich sehr gut und wächst praktisch auf allen Böden, Sendgraf. Es lässt sich frisch verwenden und auch getrocknet. In Frankreich verwendet man es seit einigen Jahren mit großem Erfolg gegen die Fallsucht und bei Vergiftungserscheinungen nach dem Genuss von verdorbenen Lebensmitteln. Wenigstens habe ich noch eine Zuchtpflanze hier im Haus. Die kann ich vermehren und im nächsten Jahr anbauen. Aber ein Jahr Ernteausfall wird mir als Verlust bleiben."
Ephraim wies mit seiner Rechten auf die Tischkante. Dort stand, wie von unsichtbarer Hand geholt, derselbe Topf, den Thamar erst vor wenigen Minuten aus dem Zimmer getragen hatte. Junker Benedikt hatte gar nicht bemerkt, dass das Mädchen den Topf wieder geholt und neben dem Vater abgestellt hatte. Ein feiner Geruch von Mäusen stieg von der Pflanze auf und verbreitete sich im Zimmer. Neugierig geworden betrachtete der Sendgraf das Kraut von allen Seiten: saftige, kurze Stiele; krause Blätter, groß wie der Daumennagel eines Mannes; die Farbe wie Petersilie im Herbst.
"Ganz genau wie Petersilie! Wenn das Zeug nicht so erbärmlich stinken würde, würde ich glatt davon probieren", rief Junker Benedikt erstaunt. "Und ich dachte beim Eintreten schon, der Geruch käme von der Straße."
Thamar lächelte sanft und trug den Topf wieder fort.
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